Corona, Netflix und – Snacks! Das passt zusammen. Nur war die Beschaffung der Snacks während der Lockdowns nicht ganz einfach. Maskenpflicht, Quarantäne oder die Angst sich anzustecken zählten zu den Tücken.
In diesem Moment kamen Gorillas und Flink wie gerufen: App öffnen, Lebensmittel bestellen und nach 10 Minuten ist die Lieferung da. Dieses Lieferversprechen hat die Unternehmen rasant wachsen lassen.
Großstädter sind spätestens seit der Werbeoffensive von Flink auf das Angebot aufmerksam geworden. Gefühlt jede Werbefläche hat das Unternehmen, dass in auffälligem pink auftritt, für sich beansprucht.
Mit Erfolg, in wenigen Monaten hat das Unternehmen eine Milliarden-Bewertung erreicht. Was macht Flink richtig? Ein Blick auf ihre Marketingstrategie.
Elektronik, Haushaltsgeräte und Arzneimittel werden heute online eingekauft. Auch Produkte die einst als schwierig für den E-Commerce galten, haben es allmählich geschafft. Der Markt für Bekleidung ist spätestens seit der Werbeoffensive von Zalando eine feste Größe im Online-Geschäft.
Und doch sieht es beim Lebensmittelmarkt noch anders aus. Dieser zählt zu den größeren Konsumgütermärkten, die im E-Commerce noch nicht richtig angekommen sind.
Nach wie vor kaufen 98% der Verbraucher lieber im Geschäft ein. Langsam, aber sicher wächst aber auch dieser Markt. Als dominierend auf dem Markt gilt bisher der Rewe-Lieferservice, den es seit 2011 gibt.
Eine Kultur des Online-Lebensmitteleinkaufs konnte das Unternehmen dennoch nicht richtig etablieren. Ganz im Gegenteil, mit dem Dienst schreibt Rewe noch immer Verluste.
Neue Aufbruchsstimmung bringen seit 2020 die Unternehmen Gorillas und Flink. Die beiden Berliner Unternehmen versprechen eine Lieferung in 10 Minuten. Einerseits hat ihnen dieses Lieferversprechen viel Publicity eingebracht, andererseits erfordert die Einhaltung des Versprechens immense Kosten.
Glücklicherweise stehen den Unternehmen für den harten Wettbewerb auf dem gesättigten Lebensmittelmarkt große Summen an Risikokapital zur Verfügung.
In Zeiten niedriger Zinsen sind klassische Anlageformen wenig attraktiv, weshalb Investoren in Start-Ups flüchten.
Hinsichtlich der Bewertung gilt Flink seit kurzer Zeit als führend. Auf 2,7 Milliarden Euro wird der Unternehmenswert geschätzt. 750 Millionen Euro konnte allein durch die letzte Finanzierungsrunde eingesammelt werden.
Geld, dass das Unternehmen dringend benötigt. Der Fokus liegt nämlich klar auf Wachstum, das Verdrängen von Wettbewerbern und die Gewinnung von Marktanteilen.
Marktarealstrategie: Großstadt-Klientel
Während Gorillas auch bereits stark im europäischen Ausland vertreten ist, dominiert Flink auf dem deutschen Markt. Beide Ansätze bringen Vor- und Nachteile mit sich.
Bei der Marktarealstrategie legen Unternehmen fest, welche räumlichen Märkte sie bearbeiten wollen.
Die Festlegung entscheidet besonders beim Markteintritt über den Erfolg und das Wachstum, denn zu Beginn sind personelle und finanzielle Ressourcen noch begrenzt.
Wichtig ist dann, diese so effizient wie möglich einzusetzen. Mit zunehmender Größe kann das geografische Absatzgebiet dann ausgeweitet werden, um zusätzliche Wachstumschancen zu realisieren.
Ein Eintritt auf einem geografisch großen Gebiet ist kapitalintensiv und risikoreich, dafür besteht die Chance als Pionier eine Monopolstellung zu erzielen, Wettbewerbsvorteile zu realisieren und zum Marktführer zu werden. Nachfolgende Unternehmen haben es auf dem Markt dann schwer.
Die Markarealstrategie von Flink ist davon gekennzeichnet, dass es sich inselförmig ausbreitet. Statt das gesamte deutsche Bundesgebiet zu bedienen, startet das Unternehmen in großen Ballungsgebieten bzw. Großstädten.
Selbst die Großstädte bearbeitet das Unternehmen nicht als Ganzes. Stattdessen geht der Express-Lieferdienst selektiv vor, indem es nur einzelne Stadtgebiete bearbeitet und neue Stadtgebiete sukzessiv in sein Absatzgebiet mit aufnimmt.

Für Flink die sicherere Variante. Die Wahl von Ballungsgebieten basiert auf verschiedenen Gründen. Zu diesen zählt die Zielgruppe, denn grundsätzlich sind Großstädter offener für Innovationen und auch jünger, und damit technologieaffiner. Gute Voraussetzungen für einen Online-Lebensmittellieferdienst.
Die dichte Besiedlung in Großstädten hat einerseits den Vorteil, dass Werbekampagnen mit weniger Streuverlusten verbunden sind, und andererseits, dass das Lieferversprechen von 10 Minuten eher eingehalten werden kann als in Kleinstädten oder Dörfern.
Zuletzt dürfte der Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle spielen. Um Staus zu umfahren, und keine Zeit mit dem Parken von Autos zu vergeuden setzen Lebensmittellieferdienste auf Fahrradkuriere.
Diese Arbeitskräfte sind vor allem in Großstädten vertreten, denn bereits vor ca. 10 Jahren begannen Lieferdienste wie Delivery Hero warme Bestellungen mit dem Fahrrad auszuliefern.
Prozessorientierung: Maximal 10-Minuten
Wenn über Flink und Co. gesprochen wird, dann werden sie meist als Lebensmittellieferanten bezeichnet. Das wird dem Geschäftsmodell eigentlich nicht ganz gerecht.
Denn im Grunde sind sie nicht nur Auslieferer, sondern auch Anbieter von Lebensmitteln. Schließlich werden Supermärkte auch nicht nur als Verkäufer von Waren bezeichnet. Dem Verkauf geht nämlich der Wareneinsatz voraus.
Unternehmen der Plattform-Ökonomie wie Airbnb, Uber oder Check24 hingegen vermitteln Waren und Dienstleistungen, die ihnen nicht gehören. Der Profit basiert lediglich aus der Vermittlung.
Dennoch ist die Bezeichnung „Lebensmittellieferdienst“ in Ordnung, denn damit soll der innovative Charakter, der aus der Auslieferung hervorgeht in den Vordergrund gestellt werden.
Das Anbieten von Lebensmitteln ist nämlich nicht neu, die Auslieferung in Stunden und Minuten jedoch schon. Und hierin liegt auch die Unique Selling Proposition (USP), also das einzigartige Nutzenversprechen das Flink von klassischen Supermärkten abhebt.
Die USP muss klar sein und dem Kunden vermittelt werden. Nur so wird der Mehrwert aus der Inanspruchnahme des Angebots eines Unternehmens deutlich.
Das Anbieten von Lebensmitteln stellt den Grundnutzen dar und wird von Kunden vorausgesetzt. Die Möglichkeit Lebensmittel online zu erwerben, stellt zwar einen Zusatznutzen dar, jedoch macht dieser Flink noch nicht einzigartig.
Erst mit dem Versprechen Bestellungen innerhalb von 10 Minuten auszuliefern, hebt sich Flink ab. Die Lebensmittel schmecken nicht besser, sind auch nicht günstiger aber werden Windeseile ausgeliefert.
Kunden sind schlicht bereit das Angebot des Unternehmens zu präferieren und einen höheren Preis zu bezahlen, weil ihnen der schnelle Beschaffungsvorgang einen prozessbezogenen Nutzen stiftet.
Teil der Marketingstrategie von Flink ist daher seine Prozessorientierung. Seine Ressourcen fokussiert es auf die Verbesserung der Prozesse, weil sie sich nur hierüber gegen den Wettbewerb behaupten können.
Dazu zählt im Wesentlichen der Auslieferungs-, aber auch der Bestellprozess. Eine nutzerfreundliche und funktionierende App ist daher eine unabdingbare Voraussetzung.
Die App stellt ist der zentrale Absatzkanal und ist zugleich virtueller Ort der Warenpräsentation und Zahlungsabwicklung.
Seine Prozessorientierung kommt auch durch zusätzliche und nützliche Dienste innerhalb der App zu Tage, mit dem sich das Unternehmen differenziert.
Wer innerhalb der App bestellt kann beispielsweise darum bitten, dass der Kurier weder klingelt noch anruft. Praktisch für Kunden die sich Ärger mit schlafenden Kindern ersparen möchten.
Kooperation: Rewes Schützling
Obwohl die Zielgruppe der Lebensmittellieferdienste bereit ist, einen etwas höheren Preis und eine Liefergebühr zu bezahlen hat die Zahlungsbereitschaft auch seine Grenzen.
Hierzulande sind Kunden nämlich günstige Preise gewohnt. Supermärkte und Discounter haben nur eine schmale Gewinnspanne, umso mehr sind sie auf hohe Absatzzahlen angewiesen.
Diese Größe spiegelt sich auch in einer Einkaufsmacht wider, die sie gegenüber Lieferanten ausnutzen, um niedrige Preise im Einkauf auszuhandeln.
Ein Grund mehr, der erklärt warum Flink und Gorillas auf schnelles Wachstum setzen. Denn lange kann der Wettbewerb, ohne das Erreichen einer mächtigen Position nicht aufrechterhalten werden.
Flink setzt daher auf Kooperation, und dürfte Rewe mit offenen Armen empfangen haben, als sich der Lebensmittelriese bereit erklärt hat sich an Flink zu beteiligen. Die Kooperation ist strategisch, weil sie den Fortbestand von Flink maßgeblich beeinflusst.
Hierdurch tritt Flink weiterhin als eigenständige Marke auf und profitiert im Einkauf zusätzlich von den Konditionen die Rewe erhält.
Zudem konnte Flink auf diese Weise sein Sortiment erweitern. Seit Rewes Beteiligung finden sich im Sortiment von Flink auch Produkte der Rewe Eigenmarken, wie z.B. „Rewe-Bio“.

Schließlich ist Rewe der Marktführer auf im Online-Lebensmittel-Geschäft. Die schiere Größe, aber auch die Kompetenz und die Erfahrungen auf diesem Gebiet stärken Flink’s Marktposition gegenüber anderen Anbietern, allen voran Gorillas.
Markenmanagement: „Flink’s dir“
Kaum ein anderes Unternehmen war in den Großstädten 2021 so präsent wie Flink. Das Unternehmen war plötzlich da, wie aus dem nichts.
Das Unternehmen ziert große Werbeflächen an Gebäudefassaden, die nicht zu übersehen sind. Den Menschen ergreift das Gefühl, dass das Unternehmen alle Out-of-Home Werbeträger für sich beansprucht hat.
Das Wachstum des Unternehmens ist maßgeblich auf diese Werbeoffensive zurückzuführen, mit der es die ein oder anderen Marketingziele erreicht hat.
Marketingziele werden unterschiedlich typisiert. Weiterverbreitet ist die Aufteilung in potentialbezogenen, marktanteilsbezogenen und wirtschaftlichen Marketingzielen.
Vor allen Dingen für neue Marken und Produkte gilt es, sich zunächst sich auf potentialbezogene Marketingziele zu konzentrieren. Dazu zählen unter anderem die Schaffung von Bekanntheit und das Etablieren eines guten Images. Macht Sinn, denn ohne Bekanntheit – kein Kauf.
Das Markenmanagement ist ein wichtiger Teil von Flink’s Marketingstrategie. Im Sinne des Markenmanagements muss die Persönlichkeit der Marke beim Kunden platziert werden.
Eine starke Marke profitiert von Vertrauen und Orientierung, die der Kunden mit einem höheren Preis honoriert.
Neben dem prozessbezogenen Nutzen den Flink stiftet, sorgt ein gelungenes Markenmanagement dafür, dass der Kunde in der Marke einen emotionalen Nutzen erkennt und somit eine Bindung aufbaut.
Die Marke soll positive Assoziationen wecken, die über den Produktnutzen hinausgehen. Flink will als jung, smart, cool, modern, und lustig wahrgenommen werden. Visuell drückt sich das Unternehmen daher mit der Farbe Pink aus.
Um die Eigenschaften seiner Markenidentität weiter zu unterstreichen, hält es sich in seiner Sprache kurz. Knappe Sätze mit etwas Witz. Zum Schluss der Zusatz „Flink’s dir“.

Mit diesem Zusatz versucht das Unternehmen den Markennamen Flink als Gattungsbegriff für Minuten-Lebensmittel-Lieferungen werden zu lassen.
Als Großstadt-Hippie klingt es schlicht cooler sich etwas zu „flinken“, als sich „Lebensmittel über einen“10-Minuten Lieferdienst zu bestellen“.
Flink verfolgt ein konsequentes Markenmanagement und bildet seine Zielgruppe in der Marke gut ab.
Dies drückt sich in der Zielgruppenansprache aus, für die auch unkonventionelle Wege gewählt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Platzierung des Marke Flink in einem Musikvideo der Rapperin Shirin David.
In dem Musikvideo mit dem Titel „Lieben wir“ klopft ein hipper Flink-Kurier an der Tür der Rapperin. Die Wartezeit vor der Tür, nutzt der Kurier für ein Tänzchen – selbstverständlich mit Flink-Tüten in der Hand.
Marketingstrategie zusammengefasst:
- Marktarealstrategie: Großstadt-Klientel
- Prozessorientierung: 10-Minuten-Lieferung
- Kooperation: Rewes Schützling
- Markenmanagement: „Flink’s dir“ wird zum Gattungsbegriff
Markenmanagement: „Flink’s dir“ wird zum Gattungsbegriff
- Erreichung psychologischer Ziele, wie Markenbekanntheit und Markenimage
- Pink, große Werbeflächen, dauerhafte Kampagne
- Partnerschaften mit anderen Produkten
- Co-Advertising, damit können sie viel Werbung schalten und das positive Image färbt auf Flink ab
- Shirin David, Produktplatzierung
Kooperation: Einkaufsmacht von Rewe
- günstige Einkaufskonditionen
- Erfahrungen im Lebensmittelmarkt
- Kompetenz von Rewe
- Kundenschaft von Rewe geht zu Flink über
- Hockey Hockey: Differenzierung durch exklusives Angebot