Ikea geht nur langsam auf den Online-Handel zu. Klar, das Unternehmen hat mittlerweile einen Online-Shop und eine App.
Hohe Versandkosten und lange Lieferzeiten zeigen aber, dass sich das Interesse am Online-Geschäft in Grenzen hält.
Vermutlich weil das Unternehmen weiß, das es nicht nur Produkte verkauft, sondern auch Erlebnisse.
Erlebnisse, die sich nur bei einem Besuch im Möbelhaus ergeben und Grund sind, warum viele Millionen Familien und Pärchen dem Unternehmen die Treue schwören.
Im Folgenden werden die wichtigsten Komponenten der Marketingstrategie von Ikea beleuchtet.
Heute steht Ikea für ein Unternehmen, dass auf dem gesamten Globus vertreten ist. Und obwohl es stark gewachsen ist, hat es sich sein bescheidenes Auftreten als Schwede bewahrt.
Vielleicht, um sich und seinem Erfinder treu zu bleiben, der Ikea einst als 17-Jähriger in einem kleinen Dorf gründete. Vielleicht aber auch aus Marketing-Kalkül.
Denn wer geht nicht lieber zum freundlichen Schweden als in ein identitätsloses Möbelhaus? Fünf Bestandteile können als besonders kennzeichnend für Ikea’s Marketingstrategie bezeichnet werden.
Produktentwickung: Ganzheitliche Denke
Besser als Konkurrenten schafft es der Möbelgigant sich in die Probleme des Kunden hineinzuversetzen. Produkte können unterschiedlich zusammengestellt werden und mit anderen Produkten ergänzt werden.
Zwei Beispiele dafür sind das Regalsystem Billy oder der Kleiderschrank PAX. Billy nimmt sich durch verschiedene Größen- und Aufteilungsvarianten des Problems verschiedener Raumgrößen an.
Kunden des PAX Kleiderschranks erfreuen sich darüber, dass alle Arten von Kleidungsstücken einen gerechten Platz finden. Zahlreiche Einsätze, gewähren dem Kunden die Möglichkeit, den Schrank nach eigenen Wünschen aufzuteilen.

Schon fast als Buzzword erscheint es, wenn Unternehmen sagen, dass ihre Kunden im Mittelpunkt stünden. Allerdings ist bei Ikea dieses Denken in Systemen nur möglich, weil die Probleme der Kunden die Grundlage für Produktentwicklungen darstellen.
Ein Student, der ein neues Bett braucht und nur über wenig Stauraum verfügt, findet unweit der Betten auch schmale Behälter die sich befüllen und unter das Bett schieben lassen.
Bei der Produktentwicklung steht somit das große Ganze im Zentrum. Aus diesem Grund konzipiert Ikea zunächst Systeme und widmet sich erst dann, eine Ebene darunter den einzelnen Produkten.
Diese ganzheitliche Denkweise zieht sich auch durch den Kaufprozess. Das wissen vor allem Kunden, die schon mal mit der Familie ein größeres Möbelstück gekauft haben und über kein eigenes Auto besitzen.
Statt das Einkaufserlebnis nur bis zur Bezahlung der Produkte zu denken, hat sich das Unternehmen mit allen Hindernissen auseinandergesetzt, die Menschen von einem Besuch im Einrichtungshaus abhalten könnten.
Um potentielle Kunden aufgrund dieser „Hindernisse“ nicht abzuschrecken, hat sich das Unternehmen Lösungen überlegt.
Nach der ellenlangen Reise durch die IKEA-Filiale wird den Kunden daher zunächst Essen angeboten um sich zu stärken. Der Mietservice von Transport-Fahrzeugen soll das Problem des fehlenden Autos lösen.
Und Kunden ohne handwerkliches Geschick wird steht der Installations-Service zur Verfügung.
Markenmanagement: Humoriger Schwede
Mit 16 Milliarden US-Dollar Markenwert befindet sich IKEA laut Forbes unter allen Einzelhandelsmarken weltweit auf Platz 3. Nur die Marken Home-Depot und Walmart sind noch wertvoller.
Diese Leistung ist das Ergebnis eines konsequenten und konsistenten Markenmanagements, dass seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Marketingstrategie ist.
Gutes Markenmanagement zeichnet sich dadurch aus, dass die Markenidentität (Selbstbild des Unternehmens) dem Markenimage (Fremdbild der Kunden) entspricht und konsequent aufrechterhalten wird. Unternehmen können dabei genau wie Menschen anhand von Attributen beschrieben werden.
Ikea versteht sich in seiner Markenidentität als freundliches, faires, einfaches, offenes, humorvolles, kreatives, familienorientiertes, kumpelhaftes, vertrauenswürdiges, fürsorgliches, schwedisches Unternehmen das gute und schöne Einrichtungslösungen anbietet.
Was erwarten wir von einem Unternehmen, dass sich durch diese Attribute definiert? Wucherpreise und schlechte Produktqualität? Lautes Auftreten wie in typischer Mediamarkt-Werbung? Hochdeutsch und verschachtelte Sätze in seiner Kommunikation?
Nein, stattdessen zeigen folgende Beispiele wie IKEA seine Markenidentität über die Marketinginstrumente in der Psyche des Kunden in verankert:
- Sichere Produkte (Familienorientierung, Vertrauenswürdigkeit),
- Funktionalität und Zusammenstellungsmöglichkeiten der Möbel (Kreativität),
- Kinderleichter Aufbau und Anleitung in leichter Sprache (Einfachheit),
- Langlebigkeit der Produkte (Vertrauenswürdigkeit),
- Günstige Preise und Zahlung auf Rechnung (Fairness),
- Schwedische Produktnamen und ein schwedischer Akzent in der Werbung (Schwedisch, Humor, Kumpelhaftigkeit),
- Großes Einrichtungshaus mit der Möglichkeit Produkte anzufassen und zu testen (Offenheit),
- Betreuungsangebot und Spaß für Kinder im Bällebad (Familienorientierung, Humor),
- Unterstützung für Transport und Installation der Möbel (Kumpelhaftigkeit)
- Großzügige Öffnungszeiten auch samstags (Familienorientierung)
- Essensangebot nach dem anstrengenden Weg durch das Einrichtungshaus (Fürsorglichkeit)
- Großzügiges Rückgaberecht mit viel Kulanz (Fairness, Vertrauenswürdigkeit)
Zudem versucht Ikea im Sinne seines Markenmanagements durch vielfältige Maßnahmen mit der schwedischen Kultur assoziiert zu werden.
Gelb und Blau, die Farben der schwedischen Nationalflagge finden sich nicht nur im Logo, sondern im gesamten Corporate Design des Unternehmens wieder.
Auch in der Kommunikationspolitik kommt der schwedische Charakter zum Vorschein.
Wer schon mal Fernsehwerbung von Ikea gesehen hat erinnert sich an die deutsche Stimme mit schwedischem Akzent.
Auf die Zuschauer wirkt das sympathisch und humorvoll. So als nähme sich das Unternehmen selbst nicht zu ernst.
Nicht ohne Grund versucht sich das Unternehmen als Schwede zu verkaufen. Das Land steht weltweit für ein positives Image. Gemütliche Häuser, wenig Kriminalität, Natur und Freiheit.

Mit seinem permanenten schwedischen Auftreten schafft es Ikea, dass die positiven Attribute die mit der schwedischen Kultur verbunden werden, auch auf das Unternehmen abfärben.
Dabei profitiert es von der Strategie des Markenmanagements in vielfältiger Weise:
- Emotionale Bindung zum Unternehmen entsteht und steigt (Markentreue)
- Neue Produkteinführungen profitieren von positiven Markenassoziationen
- Kunden kommen häufiger (Kauffrequenz)
- Unternehmen wird wertvoller (Markenwert)
Für Unternehmen besteht die Schwierigkeit also darin, ihre beschriebene Markenidentität sichtbar werden zu lassen und konstant und konsistent zu führen.
Stattdessen macht Ikea vor was anderen schwerfällt, und gibt bei Kunden ein stimmiges Bild ab. Ein Ergebnis des Markenmanagements als Teil der Marketingstrategie.
Distribution: Win-Win für beide Seiten
Auch die Distribution seiner Waren hat IKEA einst durch eine kluge Idee optimiert und hält seit jeher daran fest.
Das grobe Konzept sieht so aus: Kleine Artikel können von Kunden dort mitgenommen werden, wo sie präsentiert werden (z.B. Deko-Artikel) und schwere Artikel werden nach Bezahlung an der Warenausgabe abgeholt.
Alle anderen, und das betrifft den Großteil der Produkte können im SB-Lager selbstständig von den Kunden entnommen werden.
Eine IKEA-Küche wird gezielt so verpackt, als das die Pakete noch handlich und leicht genug sind, um sie als Kunde aus den Regalen des SB-Lagers zu hieven.
Zwar hätte IKEA andere Alternativen, allerdings ist die Lösung des SB-Lagers klug gewählt.
Es könnte die Pakete gleich dort platzieren wo auch die jeweiligen Produkte präsentiert werden. Jemand der bereits im Einrichtungshaus auf seine Traumküche trifft, könnte die Pakete unmittelbar vor Ort auf den Einkaufswagen legen.
Der Nachteil: Das Einkaufserlebnis würde erheblich gestört werden, weil Kunden die schweren Pakete durch das Einrichtungshaus schieben müssten, bis sie müde an den Kassen ankämen.
Auch die andere Alternative, alle Waren unabhängig von ihrer Größe und ihrem Gewicht erst nach Bezahlung an der Warenausgabe auszugeben würde auf Kosten des Einkaufserlebnisses gehen.
Kunden müssten erst an der Kasse und dann an der Warenausgabe anstehen. Durch den Wegfall des SB-Lagers wäre die Warteschlange an der Warenausgabe außerdem um ein Vielfaches länger.

Mit dem SB-Lager löst das Unternehmen das Problem langer Warteschlangen. Gleichzeitig spart es sich enorm viele Mitarbeiter, da sich Kunden selbstständig zu den Regalen begeben, die Pakete mit eigener Kraft verladen und bis an die Kassen schieben.
Mit dieser Distributionsstrategie als Teil der Marketingstrategie erhöht es seinen Umsatz durch glücklichere Kunden und spart dabei gleichzeitig Kosten, da weniger Mitarbeiter nötig sind.
Niedrigpreisstrategie und etwas Qualität
Ikea kann keineswegs als Marktschreier beschrieben werden, der aggressiv mit günstigen Preisen wirbt. Dennoch gelten die Preise als günstig.
Neben den günstigen Preisen schwören Ikea-Jünger auf die Qualität der Produkte, und nicht selten wird das gute Preis-Leistungs-Verhältnis gelobt.
Im direkten Vergleich zu Produkten anderer Möbelhändler wird deutlich, dass Ikea im Kern eine Niedrigpreisstrategie verfolgt.
Bei dieser Strategiealternative, wäre zu erwarten, dass sich die Qualität der Produkte auf den Grundnutzen beschränkt, um Kosten zu sparen.
Dennoch stellt die Qualität neben dem Preis ein Kaufargument dar, um bei Ikea einzukaufen. Im engeren Sinne bezieht sich dieses Qualitätsgefühl auf die Langlebigkeit, die den Produkten bescheinigt wird.
Aber wie schafft es ein Unternehmen Qualität anzubieten, ohne seine Position als Preisführer zu verlieren? Naheliegend wäre, einfach hochwertigere Materialien zu verarbeiten – zum Beispiel in Betten.
Das Problem: Material fällt pro Stück an, also würden die Preise für Betten erheblich ansteigen. Als Folge könnte Ikea seine Preisführerschaft nicht weiter halten.
Stattdessen schafft der Möbelgigant den Spagat zwischen Preisführerschaft und Qualität, durch seine großen Aufwendungen in Forschung.
Bevor ein Produkt entwickelt wird, lässt die Forschungsabteilung ihrer Kreativität freien Lauf und sucht nach Ideen, um die Langlebigkeit und Funktionalität von Produkten zu erhöhen.
Hierzu schaut sich das Unternehmen als erstes an wie ein Möbelstück zusammengebaut werden könnte. Die Devise dabei: So wenig Befestigungselemente wie nötig, ohne dass die Stabilität und Funktionalität beeinträchtig wird.
Anders als manchmal vermutet lassen sich Möbelstücke so entwickeln, dass sie auf unterschiedlichste Weise vom Endverbraucher zusammengebaut werden können.
Ein Konzept, dass weniger Schrauben für den Zusammenbaut vorsieht, oder gar ein Stecksystem ganz ohne Schrauben, hat viele Vorteile.

Durch weniger Schrauben wird auch das Holz weniger stark in Mitleidenschaft gezogen. Denn vor allem bei Umzügen müssen die Materialien einiges aushalten. Jedes Ziehen und Ruckeln oder Rein- und Rausdrehen der Schrauben geht zu Lasten des Holzes.
Im Vergleich zu den Kosten für bessere Materialen, fallen die Forschungskosten nur einmal an. Die gesamten Forschungskosten werden dann auf alle verkauften Betten verteilt.
Da Ikea aufgrund seiner Marktposition, Produkte millionenfach verkaufen kann, fallen die Preissteigerungen durch die anteiligen Forschungskosten gering aus (Fixkostendegressionseffekt).
Auf diese Weise schafft es Ikea weiterhin Preisführer ein Gefühl von Qualität zu vermitteln, durch das der Kunde das Gefühl hat mehr für sein Geld zu erhalten haben als woanders.
Erlebnismarketing perfektioniert
Sich auf die Betten schmeißen, Probeliegen, verstecken spielen, oder sich einfach vorstellen, ob die ausgestellte Küche in die Wohnung passt.
Ikea’s Einrichtungshäuser sind kein trister Ort für langweilige Warenpräsentationen, sondern für Inspiration, Eindrücke und Emotionen.
Das Unternehmen schafft Erlebnisse und denkt an die gesamte Familie. Dabei könnte man meinen, dass die Produkte schon fast in den Hintergrund geraten.
Die Reise durch verschiedene Erlebnisse beginnt gleich, nachdem Eltern mit ihren Kindern das Einrichtungshaus betreten haben.
Passieren Eltern die Eingangstür, schmeißen sich die Kinder in das Småland. Ein Bällebad, dass das Unternehmen als Kinderparadies bewirbt.
Die Kinder haben Spaß und die Eltern können sich entspannter durch das Möbelhaus treiben lassen.
Der „Zwangslauf“, mit dem die Marketing-Fachwelt die Wegführung durch das Ikea Einrichtungshaus bezeichnet stellt sprichwörtlich eine Kundenreise dar. Allein der lange Weg bietet viel für Unerwartetes, an das man sich später gerne zurückerinnert.
Inspirierende Produkte, auf den Betten schlafende Kunden, sich vor dem Partner verstecken oder seine zukünftige Küche im Küchenbereich visualisieren lassen.
Zudem hat man als Kunde den Vorteil „geführt“ zu werden. Anders als Möbelhäuser ohne Wegführung muss man sich kognitiv kaum anstrengen.
Zum Ende dieser Reise verlassen den meisten Kunden jedoch so allmählich die Kräfte. Nicht ohne Grund hat das Unternehmen daher vor der Deko-Abteilung sein Restaurant platziert, an dem alle Kunden vorbeilaufen.
Nachdem sich auch die Kinder im Bällebad ausgepowert haben, kann sich die Familie hier mit guten und günstigen Gerichten stärken.
Es wird gemeinsam gegessen, nachdem man als Kunde ein wenig stolz darauf ist, den weiten Weg gemeistert zu haben. Die Familie isst gemeinsam und hat sich viel zu erzählen.
Mit dem positiven Gefühl das die Kunden nachdem Verlassen des Restaurants ergreift, begeben sie sich durch die letzte Abteilung und nehmen noch einige Deko-Artikel mit.
Durch die kleinen, kostengünstigen und emotionalen Produkte richtet sich Ikea besonders an Impulskäufer.

Und wer nach Bezahlung seiner Produkte noch etwas Hunger hat, oder vorher nicht das nötige Kleingeld für den Restaurant-Besuch hatte, der kann sich unweit der Kassen noch eine leckere Currywurst oder einen günstigen Hot-Dog kaufen.
All diese Maßnahmen verdeutlichen das Ikea wie kaum ein anderer verstanden hat das Kundenerlebnis zu perfektionieren.
Kurzfristig profitiert das Unternehmen beispielsweise dadurch, dass Kunden länger im Einrichtungshaus verweilen und damit mehr Geld ausgeben.
Das Erlebnis stärkt aber vor allem die langfristige Kundenbeziehung. Der Einkauf verankert sich in der Psyche der Kunden als positiv wahrgenommenes Erlebnis.
Im Ergebnis werden die Kunden mit größer Wahrscheinlichkeit dem Unternehmen auch in Zukunft einen Besuch abstatten.
Strategisch ist das Erlebnismarketing bei Ikea auch deshalb, weil zukünftige Generationen von Ikea-Kunden ihren ersten Berührungspunkt mit dem Unternehmen bereits im Kindesalter haben. Denn die Kinder von heute, sind schließlich die Kunden von morgen.
Marketingstrategie zusammengefasst
- Ganzheitliche Denkweise (Denken in Systemen, Gesamte Kundenreise steht im Mittelpunkt)
- Markenmanagement (Schwedischer Charakter und konsequenter Ausdruck der Markenidentität)
- Distribution (Zeitersparnis für Kunden durch SB-Lager)
- Niedrigpreisstrategie und Fokus auf Forschung zur Erhöhung von und Langlebigkeit und Funktionalität
- Erlebnismarketing (Ikea verkauft ein Erlebnis, und nebenbei seine Produkte)