Corona machte vielen Unternehmen das Leben schwer und kostete einigen die Existenz. Anders sah es für Supermärkte aus, die gerade wegen der Pandemie profitierten.
Natürlich, der gewöhnliche Wocheneinkauf, Hamsterkäufe und Snacks, um sich die Zeit mit Netflix totzuschlagen, haben die Umsätze in die Höhe getrieben.
Rewe machte dabei eine besonders gute Figur und vermeldete 2020 einen Umsatzrekord.
Anlass genug, um sich die Marketingstrategie des Unternehmens anzusehen.
In Deutschland gilt die Nahversorgung von Lebensmitteln im weltweiten Vergleich als sehr gut. Nur selten müssen längere Fußstrecken zurückgelegt werden, um seinen Einkauf erledigen zu können.
Von dem harten Wettbewerb profitieren Kunden auf diesem Markt besonders. Der Markt gilt als gesättigt und gut entwickelt. Discounter, Supermärkte, Hypermärkte und Bio-Läden versuchen den verschiedenen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.
Obwohl die etablierten Lebensmittelanbieter auf dem Markt noch immer hohe Gewinne einfahren, wird der Druck größer. Lange Zeit fand der Markt noch offline statt, denn Liefergebühren, Lieferzeit, eingeschränkte Frische und der Aufwand stellten noch Barrieren für den Online-Handel dar.
Spätestens mit HelloFresh und liefernden Supermärkten, wie Gorllas und Flink wird der Online-Handel jedoch zur ernstzunehmenden Konkurrenz für die traditionellen Lebensmittelanbieter.
Zu den traditionellen Supermärkten zählen die Vollsortimenter Edeka und Rewe, die sich gegenseitig zugleich als direkte Konkurrenten auf dem Markt gegenüberstehen. Daneben gilt die Schwarzgruppe mit Lidl und Kaufland und Aldi als wichtige Akteure auf dem Markt.
Unter den Alteingesessen fällt vor allem beim Rewe, dass es die Zukunft aktiv gestalten möchte, um nicht erneut zum kleinen Tante-Emma-Laden zu verkommen. Sowohl eigene neue Dienstleistungen als auch Beteiligungen geben Aufschluss über die Marketingstrategie von Rewe.
Diversifikation: Lieferservice & Flink
Mit der Digitalisierung entstehen Geschäftsmodelle, die den Kunden häufig einen zusätzlichen prozessbezogenen Nutzen stiften. Konkret bedeutet dies, dass sich die Beschaffung einer Leistung und/oder schneller, kostengünstiger, qualitativ hochwertiger vollzieht.
Eine Notiz kann heute so wie früher auf einem Stück Papier hinterlegt werden. Und doch haben Anbieter von Apps es geschafft die Tätigkeit schneller oder besser zu gestalten. Ein Befehl an den Sprachassistenten genügt bereits.
Viele Geschäftsmodelle basieren also auf bereits Bekanntem, oder Verfügbarem. Und doch nimmt dieser prozessbezogene Nutzen in einer individualisierten und schnelllebigen Gesellschaft eine immer bedeutendere Rolle ein.
Um einen Mehrwert beim Beschaffungsprozess zu leisten, bietet Rewe daher seit 2011 einen eigenen Lieferservice an. Zudem ist es seit 2021 an dem rasant wachsenden Unternehmen Flink beteiligt, dass Lebensmittel in weniger als 10 Minuten ausliefert.
Durch diese Aktivitäten wird deutlich, dass Rewe eine Diversifikationsstrategie verfolgt, um sich vor der Zukunft zu wappnen. Genau genommen handelt es sich um eine vertikale Diversifikation.
Hiervon ist die Rede, wenn ein Unternehmen sein Geschäft auch auf Bereiche ausweitet, die dem eigentlichen Geschäft zurück- oder vorgelagert sind.
Eine Rückwärtsintegration liegt bei Handelsunternehmen zum Beispiel vor, wenn nicht mehr nur Produkte anderer Unternehmen, sondern auch eigene verkauft werden. Diesen Schritt hat Rewe in der Vergangenheit beispielsweise mit der Eigenmarke „Ja!“ vorgenommen.

Mit dem Rewe Lieferservice und der Beteiligung an Flink bietet das Unternehmen Lebensmittel nicht mehr nur an, sondern liefert diese auch aus. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen, weil für den Kunden ein zusätzlicher prozessbezogener Nutzen hervorgeht.
Präferenzstrategie: Qualität und Prozesse
Seitdem Discounter wie Aldi und Lidl sich etabliert haben, und damit preisbewusste Käufer umwerben, ist es für Supermärkte noch wichtiger geworden den Vorteil des eigenen Geschäfts hervorzuheben.
Im Gegensatz zu einer Niedrigpreisstrategie die Aldi und Lidl verfolgen setzen Edeka und Rewe auf eine Präferenzstrategie. Der Kampf um Marktanteile wird seitens der Supermärkte weniger über den Preis als über qualitative Merkmale bestritten.
Wichtig ist es dabei, dass qualitative Merkmale vom Kunden auch wahrgenommen werden, damit dieser das Angebot gegenüber Discountern vorzieht. Discounter schaffen durch den Palettenverkauf und einem schmalen Sortiment Kostenvorteile. Supermärkte hingegen setzen auf eine große Sortimentsbreite und Sortimentstiefe.
Rewe setzt in seiner Präferenzstrategie auf eine Qualitäts- und Prozessorientierung. Um das Kundenerlebnis zu verbessern und die Zahlungsabwicklung zu beschleunigen stehen im Vergleich zu Discounter in einem üblichen Rewe Markt mehr Mitarbeiter zur Verfügung.
Viel wichtiger als die beratende Funktion, die sie einnehmen ist, dass ganz flexibel mehr Kassen geöffnet werden können sobald mehr Kundschaft zugegen ist. Viele Mitarbeiter und mehr geöffnete Kassen führen schließlich dazu, dass der Kunde seinen Einkauf schneller erledigen kann.
Die Prozessorientierung spiegelt sich weiterhin in dem breiten und tiefen Sortiment wider. Aber auch die Tatsache, dass viele Rewe Märkte eine eigene Fleischtheke und eine Bäckerei beherbergen erleichtert für Kunden den Beschaffungsprozess.
Statt Supermarkt, Metzgerei und Bäckerei einzeln anzufahren, kann der Einkauf an einem Ort erledigt werden.
Damit Kunden gegenüber den Discountern bereit sind ein Preispremium für die Produkte von Rewe zu bezahlen spielt jedoch die Qualitätsorientierung eine besondere Rolle.
Das Unternehmen ist daher auf ein umfangreiches Angebot an Markenprodukten und eine frische Vielfalt an Obst und Gemüse angewiesen, um den Kundenbedürfnissen zu entsprechen.

Bei Handelsunternehmen und stationären Geschäften muss sich die die Positionierung und das Markenmanagement auch in der Ladengestaltung widerspiegeln. Auch aus dieser Anforderung heraus, wurde der Ruf nach einer Ausweitung der 4P’s auf die 7P’s laut.
Seine Qualitätsorientierung drückt Rewe daher nicht nur durch seine Produkte aus, sondern auch durch Großzügigkeit und Atmosphäre aus, die einen üblichen Rewe-Markt kennzeichnen. Während die Atmosphäre bei Lidl und Aldi auf den schnellen Einkauf ausgerichtet ist, lädt Rewe eher zum Bummeln ein.
Marktsegmentierung: Veganes Sortiment
Mit ihrem schmalen Sortiment konnten Discounter vor allem zu einer Zeit Marktanteile gewinnen, in der die Kaufkraft der Bevölkerung niedriger war als heute und die Bedürfnisse auf dem Lebensmittelmarkt weitestgehend homogen waren.
Anders als heute reichte den Leuten meist ein Produkt und Markenprodukte waren weniger wichtig.
Der zunehmende Wohlstand und die Individualität haben jedoch eine Vielzahl von Käufergruppen entstehen lassen, die sich in ihren Bedürfnissen unterscheiden. Für Discounter ein Problem, da auch ihre Ladenfläche eine einheitliche Größe aufweist und das Sortiment nicht ohne weiteres vergrößert werden kann.
Rewe ist genossenschaftlich organisiert und räumt den selbstständigen Kaufleuten eine gewisse Autonomie bei der Sortimentsgestaltung ein. Ein Vorteil, der sich in diesen Zeiten bemerkbar macht, da selbstständige Kaufleute mehr über die lokalen Bedürfnisse ihrer Kunden wissen.
Um den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden segmentiert Rewe den Gesamtmarkt nach verschiedenen Kriterien. Die verschiedenen Zielgruppen spricht das Unternehmen dann unterschiedlich an. Am stärksten macht sich diese Marktsegmentierung in der Produktpolitik bemerkbar.
Wer jeweils einen Rewe-Markt in einer Kleinstadt und in der Innenstadt einer Großstadt aufsucht wird die unterschiedliche Zielgruppenansprache feststellen.
In Kleinstädten finden sich häufiger große Rewe-Märkte mit einem eher konventionellen Angebot, da hier besonders die Zielgruppe an Familien angesprochen wird.
In Gegensatz dazu leben in der Großstadt viele junge, aufgeschlossene, innovationsfreudige Menschen, die Wert auf veganes Sortiment und Bio-Produkte legen.
Zudem handelt es sich mehr um Einpersonen-Haushalte und anders als in der Provinz gibt es viele verschiedene Käufergruppen. Vegane Produkte finden sich neben Nahrungsergänzungsmitteln für Fitness-Begeisterte.
Durch seine Marktsegmentierung spricht Rewe die verschiedenen Käufergruppen, die es zu seiner Zielgruppe zählt auf unterschiedliche Weise an, damit sie das Angebot gegenüber der Konkurrenz bevorzugen.
Ein weiteres gutes Beispiel für die Marktsegmentierung als Teil der Marketingstrategie von Rewe ist die erst vor einigen Jahren eingeführte Marke „Rewe-ToGo“.

Dabei handelt es sich um Läden, die vor allem die Käufergruppe an Touristen und Autofahrern ansprechen sollen. Zu finden sind diese Geschäfte meist in Einkaufspassagen oder an Tankstellen. Auf kleiner Fläche weist das Sortiment einen hohen Anteil an Fertigprodukten, Getränken, Backwaren und Salaten auf.
Nachhaltigkeitsstrategie: Vorreiter
Seit 2017 sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen.
Neben dem klassischen Jahresabschluss soll aus dem Nachhaltigkeitsbericht hervorgehen, in welcher Weise und ich welchem Ausmaß sich ein Unternehmen für nachhaltige Belange eingesetzt hat.
Rewe’s Bemühungen für mehr Nachhaltigkeit sind ausgezeichnet, zumindest wenn es nach dem „Institut für ökologische Wirtschaft“ geht. Das Institut veröffentlicht jährlich das „Ranking der besten Nachhaltigkeitsberichte“.
Nicht nur einmal war Rewe in den vergangenen Jahren auf den Spitzenpositionen vertreten. Dem Ranking nach, nimmt Rewe das Thema der Nachhaltigkeit sehr ernst und engagiert sich auf verschiedenen Ebenen, um seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Am sichtbarsten wird dies für den Kunden im Sortiment, denn gerade unter Obst und Gemüse findet sich ein hoher Anteil an Bio-Produkten.

Die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens ist zugleich ein wesentlicher Teil der Marketingstrategie, da für den Kunden nachhaltige Aspekte ein immer wichtiger werdendes Kriterium bei der Kaufentscheidung werden.
Mit dieser Marketingstrategie hat Rewe den Handlungsrahmen für seine Zukunft definiert, da Nachhaltigkeit große Ressource erfordert und Zeit benötigt.
Durch diese Stoßrichtung profitiert das Unternehmen auch politisch. Sollten die Vorgaben für die Branche enger geschnürt werden, haben es Wettbewerber, die nicht auf Nachhaltigkeit gesetzt haben, das Nachsehen gegenüber Rewe als Vorreiter.
Innovation: Einkaufen ohne Kasse
Neue Zeiten erfordern neue Technologien und wer wissen möchte wie sich die Zukunft im Lebensmittel-Einzelhandel anfühlt, der sollte dem Rewe-Markt in der Kölner Innenstadt einen Besuch abstatten.
Einkaufen, ohne an der Schlange zu stehen ist in dem Testmarkt bereits Realität. Das Scannen des Smartphones am Eingang genügt um sich als Kunde auszuweisen. Danach folgt man nur noch seiner Intuition.
Heißt: Waren aussuchen, aus dem Regal nehmen und den Markt verlassen. Sensoren und Kameras erledigen die Arbeit und buchen den Betrag automatisch vom Konto des Kunden ab.
Rewe positioniert sich auf dem Markt zunehmend als innovativer Händler und gibt neuen Trends eine Chance. Das spiegelt sich sowohl in der Ladengestaltung als auch im Sortiment wider.
Beispiele dafür sind „Naughty Nuts“ oder „Nomoo“ zwei Start-Ups die Bio-Nussmuss und veganes Eis verkaufen. Obwohl die Bekanntheit der Produkte noch gering war, nahm Rewe sie in sein Sortiment auf.
Das ist mutig, denn neue Marken, die sich erst etablieren müssen, bringen zu Beginn nur wenig Umsatz. Langfristig kann Rewe jedoch von besonderen Beziehungen zu Lieferanten profitieren.
Was wichtiger sein dürfte, ist jedoch die Positionierung am Markt mit seinem Auftreten als innovativer Händler. Mit den vielen Maßnahmen, die konkret auf diese Strategie einzahlen richtet sich Rewe an den veränderten Kundenbedürfnissen.
Unterstrichen wird die Innovationsorientierung des Unternehmens auch beim Mitmischen in der Start-Up-Landschaft. Mit der Beteiligung an Flink, dem Supermarkt auf Rädern verdeutlicht das Unternehmen, dass es mit der Zeit geht und die Zukunft mitgehalten möchte.
Und wer sich nur wenig für Wirtschaftsnachrichten interessiert, der dürfte vielleicht bei der Fernsehsendung „Das Ding des Jahres“ gesehen haben, dass Rewe auch weiterhin an neuen Start-Up-Beteiligungen interessiert ist.
In der Jury der Sendung, die als Pendant zu der Sendung „Die Höhle der Löwen gilt“, sitzt der Chef-Einkäufer von Rewe und sucht stellvertretend nach lukrativen Innovationen.
Marketingstrategie zusammengefasst:
- Diversifikationsstrategie: Flink und der Rewe Lieferservice
- Präferenzstrategie: Qualität und Prozesse
- Marktsegmentierung: Veganes Sortiment für Großstädter
- Nachhaltigkeitsstrategie: Vorreiter
- Innovation: Selbstzahlender Rewe Store in Köln